Eimer-Saufen, Erbrochenes, prollige Anmach-Sprüche und Chaos: Die Mallorca-Komödie "Ballermann 6", an der Bernd Eichinger als Koproduzent mitwirkte, wird an diesem Wochenende 25. In Deutschland war die Produktion ein Kino-Hit, auf Mallorca ein Skandal. Wie es dazu kam, beschreibt Thomas Fitzner in seinem Buch "Wo zum Kuckuck sind diePalmen? 101 Anekdoten aus Mallorca", dessen Neuauflage mit weiteren Anekdoten für Mai 2023 geplant ist:
Einige Filme schaffen es, dasPublikum aus denKinosesselnzu hieven und die Vorführungen zum „Event“zu machen.Dazu gehören Kultstreifen wie „The Rocky Horror PictureShow“, aber auch ein Mallorca-Film, den Kritiker eher in einer deruntersten Schubladen des kulturhistorischen Rankings ansiedeln, obwohl kurzfristig tatsächlich ein Kultentstand: „Ballermann 6“, koproduziert von Bernd Eichinger, sorgte fürdie Expansion des „neuen deutschenFilms“ in die Niederungen des komplexfreien Unterhaltungskinos undärgerte die Mallorquiner maßlos.
An Jürgen Drews verleihen die beiden Protagonisten in dem Film einen ganz besonderen Jetski. Screenshot "Ballermann 6"
Wenn zwei prollige Freunde zum Ballermann aufbrechen
1997 uraufgeführt, erzählt derFilm die Geschichte von „zwei ebenso chaotischen wie ausgesprochenblöden Freunden aus Köln“, dienach Mallorca fliegen, „um sichim von deutschen Pauschaltouristen gefeierten Kneipen- undTanztempel Ballermann 6 zu betrinken“ („Filmlexikon“). Dorterleben die beiden Prachtexemplare der Gattung „deutscher Chaos-Urlauber“ rund um die ewigen Ballermann-Themen Sex, Alkohol und Geldmangel allerlei „Abenteuer“.
Der Kritiker des „Filmlexikon“ empfahl dem Kinobesucher dann auch,am besten „das Hirn auszuschalten“,um den Film „weitgehendst unbeschadet“ zu überstehen.
Obwohl Intellektuelle unisonodie Nase rümpften – oder genau deshalb –, wurde „Ballermann 6“ zumPhänomen, dem sich selbst höchstemediale Sphären annahmen, weilman am Thema nicht vorbeikam. Soberichtete „Der Spiegel“ einigermaßen fassungslos: „In manchen Lichtspielhäusern sorgte das Ballermann-Fieber in den vergangenen Tagen fürgroteske Szenen – die Saufschlacht fand plötzlich im Saal statt.“ Ein Kino sah sichsogar gezwungen, den Film wegen„enthemmter Zuschauer“ aus demProgramm zu nehmen: „Sie grölten,sie tranken und forderten die Platzanweiserinnen zum Striptease auf.“
Und dann war da noch der "Bierkönig-Mord"
Nicht nur auf Mallorca, in ganzSpanien wurde „Ballermann 6“zum Politikum. Die Tageszeitung„El País“ wies schon im Titel darauf hin, dass die Dreharbeiten unteranderem in einem der Lokale eineskurz zuvor ermordeten deutschenUnternehmers stattgefunden hatten(Manfred Meisel), und befand: „Alldie Jahre der Bemühungen um mehrQualitätstourismus, der positivenBerichterstattung, um das Imageeiner Insel der Reichen undBerühmten wie Boris Beckerund Claudia Schiffer zu verbreiten – alles für die Katz.“
Für Mallorcas Politikerwar der Film möglicherweiseder Tropfen, der das Fass zumÜberlaufen brachte, denn seitden 90er-Jahren überbieten sich die aufeinanderfolgendenStadtregierungen von Palma inBemühungen, Initiativen, Verordnungen und Offensiven, umden Ballermann zu zähmen. Dasist nicht zur Gänze gelungen,aber die unkontrollierten Exzesse gehören der Vergangenheitan – heute finden die kollektiven Besäufnisse unter polizeilicherÜberwachung statt, und die Zonegilt beinahe schon als Familienstrand. Zumindest tagsüber.
Die 90er-Jahre am Ballermann: So wurde wirklich an der Playa de Palma auf Mallorca gefeiert
Nicht nur ein Ort, auch eine Marke
Dabei ist „Ballermann“ schon lange mehr als der Inbegriff des alkoholschwangeren, deutschsprachigenParty-Urlaubs auf Mallorca, nämlich eine geschützte Marke, deren Inhaber natürlich eine deutsche Firma ist.André Engelhardt von der „A. Engelhardt Markenkonzepte GmbH“ schreibt die Popularität des Phänomens weitgehend den eigenenMarketingbemühungen seit 1994zu, nachdem er „Ballermann“ alsMarke hatte eintragen lassen. Mitder Konsequenz, dass jeder Verein, der eine „Ballermann“-Partyveranstaltet, Post von der „A. Engelhardt Markenkonzepte GmbH“erhält: Die Nutzung des Begriffsist kostenpflichtig.
Wissenschaftliches zum Ballermann
Selbst die Wissenschaft hat dasPhänomen unter die Lupe genommen, allen voran der Unterhaltungswissenschaftler Sacha Szabo, derin „Ballermann. Das Buch“ zu demSchluss kommt: „Wenn wir das soziale Phänomen beschreiben, dassowohl das Treiben am Strand vonArenal als auch eine Ballermann-Party im Ruhrpott auszeichnet, dannhandelt es sich um eine Art ‚rauschhafter Vergemeinschaftung‘.“
Einen Vorläufer des Ballermannhat Jan Lammers in der früherenMZ-Kolumne „I això, d’on ve?“ beschrieben. Bis zum Abriss der Stadtmauern von Palma seien die Lebensbereiche auf der Insel klar zweigeteiltgewesen: innerhalb und außerhalbder Stadtmauern. Da in der Stadt eineSteuer auf Tabak, Alkohol und bevorzugte Lebensmittel eingehoben wurde, entstand außerhalb der Stadtmauern, was Lammers „eine erste Variante des heutigen ‚Sauftourismus‘“nennt: „‚Durstige‘ Städter begabensich außerhalb Palmas (fora portes)auf den Camí de Ronda, einen Feldweg, der den Befestigungsring umgab und an dessen Verkaufsständender Wein preiswert – da abgabenfrei– angeboten wurde.“
Noch mehr Anekdoten gibt es in Thomas Fitzners Buch "Wo zum Kuckuck sind diePalmen? 101 Anekdoten aus Mallorca". Verlag Fabylon,2017, 14,90 Euro.
Einen kurzen Einblick in den Kultfilm gibt der Trailer:
Einige Kommentare der Zuschauer:
- "Ich weiß bei den Szenen nie, ob ich vor Dummheit lachen oder weinen soll..." (RoNix)
- "Der Film, den ich in meinem Leben mit Abstand am häufigsten gesehen habe, als Kind so gut wie jeden Tag. Mit Sicherheit 3stellig." (E H)
- "Einfach nur episch." (Bastian Schott)
- "Ein Juwel der Filmgeschichte." (dA_hoollii)
- "Bin ja für seichten Humor immer zu haben, aber das sieht einfach nur nach monumentalem Superscheißdreck aus. Wie konnte es diese Reihe überhaupt bis zum sechsten Teil geschafft haben? Und dann sagen so viele auch noch, das sei der Beste? Uiuiui, das müssen ja finstere Zeiten damals gewesen sein." (Meltorizor)
Und hier noch ein Beispiel für eine der abstoßenderen Szenen:
Der Film ist derzeit unter anderem in der kostenpflichtigen RTL+-App zu sehen. Die Programmbeschreibung für die 84-minütige Produktion darin lautet:
"Nachdem Tommie und Mario ihren Job verloren haben, kratzen sie ihr letztes Geld für einen Trip nach Mallorca zusammen, um einmal so richtig die Sau rauszulassen. Die zwei können sich von ihrem letzten Geld noch ein Bier leisten, doch dann müssen sie Ausschau nach einem Job halten, um während der kommenden Tage über die Runden zu kommen. An Entspannung ist sowieso nicht zu denken, denn das Chaos aus folgt den beiden auf Schritt und Tritt."